Als meine Mutter in den sechziger Jahren ihre Ausbildung beendete, war sie stolz, sich nun „Industriekaufmann“ nennen zu dürfen. Etwas später fühlte sich mein Vater als „Studierender“ als Student zweiter Klasse. Studenten (und Studentinnen) wurden damals nur diejenigen genannt, die an Universitäten und Technischen Hochschulen eingeschrieben waren, während Studierende Ingenieurschulen besuchten.

Heete umfasst der Begriff der Studierenden alle Menschen, die studieren. Er hat „Student“ und „Studentin“ weitgehend abgelöst, weil er geschlechtsneutral ist. Unter „Kaufleuten“ sind neben „Kaufmännern“ natürlich auch „Kauffrauen“ zu finden.

Das Verständnis von Sprache hat sich mit dem Wandel der Gesellschaft verändert. Das sogenannte Gendern, also die Bemühung, geschlechtergerecht zu kommunizieren, ist ein Thema, das uns zunehmend begleitet.

Lange war das generische Maskulinum in allen Texten Standard. Der Einfachheit halber, oft auch mit Hinweis auf den besseren Lesefluss, wurden Gruppen, die aus mehreren Geschlechtern bestanden, unter der männlichen Bezeichnung zusammengefasst. Weibliche Vertreter seien selbstverständlich mitgemeint, hieß es stets. Das mag auch in vielen Fällen stimmen. Zu einem Ärztekongress werden sich Ärztinnen genauso eingeladen fühlen.

Bei jungen Menschen, deren Selbstwirksamkeit sprichwörtlich noch in den Kinderschuhen steckt, läuft das Mitdenken des nicht genannten Geschlechts nicht automatisch ab. Die Folge: Fühlen sie sich etwa von einer Berufsbezeichnung nicht angesprochen, trauen sie sich den entsprechenden Job selbst auch weniger zu. Dies stellten Dries Vervecken und Bettina Hannover von der Freien Universität Berlin 2015 in ihrer Studie Yes I can!“ heraus, für die sie rund 600 Kinder im Grundschulalter befragt haben.

Ist dagegen beispielsweise von „Ingenieurinnen und Ingenieuren“ die Rede, wird gleich klar, dass es sich dabei längst nicht mehr nur um einen „Männerberuf“ handelt. Werden beide Geschlechter in einem Text jedoch sehr oft genannt, zieht er sich dadurch unangenehm in die Länge.

Kürzer wird es durch geschlechterneutrale Konstruktionen mit Binnen-I (ÄrztInnen), Unterstrich (Ärzt_innen) oder Schrägstriche (Ärzt/-e/-innen). Zwischenzeitlich war auch die Verwendung von Klammern (Ärzt(inn)en) populär. Als Weiterentwicklung findet sich auch ein Doppelpunkt (Ärzt:innen) oder das vielfach empfohlene Gendersternchen (Ärzt*innen), das auch Menschen ohne eindeutige Geschlechtszuordnung einbeziehen soll. 

Die kleine Betonungspause vor der weiblichen Endung, der „Gender Gap“, hat – zumindest im wissenschaftlichen Sprachgebrauch – schon weite Kreise gezogen. Außer der dabei oft nicht eindeutigen Grammatik gibt es jedoch noch ein weiteres Problem: Werden online zusätzliche Zeichen innerhalb von Wörtern verwendet, sind die entsprechenden Websites nicht mehr barrierefrei. Außerdem finden manche Menschen den Hinweis auf ihr Geschlecht in allgemeinen Bezeichnungen mittlerweile generell unpassend.

Die Lösung: neutrale Formulierungen. Das Genderwörterbuch bietet viele Vorschläge, wie alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen werden können:

  • Ärzte -> ärztliches Fachpersonal
  • Chef -> Leitung
  • Krankenpfleger -> Pflegefachkraft
  • Mädchen für alles -> Mensch für alles
  • Patient -> zu behandelnde Person

Erweiterungen sind erwünscht! Und mit ein bisschen Fantasie lassen sich Texte auch komplett von Geschlechtszuordnungen befreien.

Zum Beispiel: „Der Autor ist unbekannt.“

Alternative: „Wer den Text verfasst hat, ist nicht bekannt.“

Manchmal ist die konkrete Geschlechtsnennung aber auch ausdrücklich erwünscht. So wie beim Weltfrauentag, der am 8. März begangen wird. Geschlechtergerechtigkeit steht dabei ja auf jeden Fall im Mittelpunkt.

 

Quellen:

fu-berlin.de

geschicktgendern.de

zeit.de